„Ich glaube fest daran: Wir sollten unser Wissen nutzen, um anderen zu helfen.“ – Tawab
Wenn man Tawab zuhört, wird schnell klar: Hier spricht jemand, der nicht nur mit Zahlen arbeitet, sondern mit großer Überzeugung für Menschen einsteht. Der Datenanalyst kam 2024 zur Data School von The Information Lab – mit im Gepäck: jahrelange Erfahrung als Projektmanager in internationalen NGOs in Afghanistan und eine Vision, die weit über Tabellen und Dashboards hinausgeht.
Daten für Sichtbarkeit, Teilhabe und Hoffnung
Seit der Machtübernahme der Taliban ist das Leben für Frauen und Mädchen in Afghanistan geprägt von Ausgrenzung. Schulen ab der sechsten Klasse sind für sie geschlossen, Universitäten tabu, viele Berufe verboten. „Bildung wird gezielt unterdrückt“, sagt Tawab. Doch statt ohnmächtig zuzusehen, hat er gehandelt: Gemeinsam mit Mitstreiter:innen hat er das Projekt „Data for Freedom“ ins Leben gerufen – ein ehrenamtliches Trainingsprogramm, das afghanischen Frauen Datenkompetenz vermittelt, mit Fokus auf Tableau und öffentlich zugängliche Dashboards.
„Ich möchte mein Wissen an Frauen weitergeben, die sich für Daten interessieren – und ihnen zeigen, wie sie damit ihre Geschichten erzählen und ihre Anliegen sichtbar machen können.“
Ein Projekt, das im Verborgenen wirkt – und trotzdem weit reicht
Das Programm besteht aus acht Online-Sessions à zwei Stunden. Die Teilnehmerinnen – junge Frauen mit Hochschulhintergrund in Informatik, Wirtschaft oder Ingenieurwesen – lernen, wie sie mit Daten arbeiten, Visualisierungen erstellen und diese über Plattformen wie Tableau Public oder LinkedIn teilen können.
Doch was technisch klingt, ist für viele der erste Schritt zurück in ein selbstbestimmtes Leben. Denn: Das Wissen ermöglicht nicht nur gesellschaftliche Sichtbarkeit, sondern eröffnet neue berufliche Wege – etwa durch Stipendien, Freelance-Arbeit oder die Bewerbung auf Remote-Jobs. Alles digital, anonym und sicher von zu Hause aus.
„Digitale Fähigkeiten bieten diesen Frauen eine Perspektive – ohne dass sie das Haus verlassen oder ihre Identität preisgeben müssen.“
Keine NGO, kein Budget – nur Engagement und ein Ziel
Besonders bemerkenswert: Das Projekt ist vollkommen unabhängig – weder eine Organisation noch institutionelle Förderer stehen dahinter. Tawab organisiert alles selbst: Inhalte, Termine, Plattformen – und den sensiblen Umgang mit Daten, um die Sicherheit der Teilnehmerinnen zu wahren. Der Unterricht findet auf Dari statt, kulturelle Unterschiede werden respektiert, Internetzugang bleibt jedoch eine Herausforderung.
„Der Zugang zum Netz ist instabil und teuer. Viele können nach dem Unterricht kaum weiterlernen. Ich arbeite gerade an einer größeren Lösung – vielleicht über Crowdfunding.“
Wer das Projekt im kleine Rahmen unterstützen möchte, kann das ganz unkompliziert über die GoFundMe-Seite tun. Jeder Beitrag hilft, den jungen Frauen eine Perspektive durch Bildung zu eröffnen.
Hoffnung statt Hilflosigkeit
Was Tawab antreibt, ist eine Mischung aus persönlicher Betroffenheit und unerschütterlichem Optimismus. Seine Frau lernte er einst an der Universität in Afghanistan kennen – eine Erinnerung, die heute umso schmerzlicher ist. „Wenn ich daran denke, dass diese Mädchen heute keinen Zugang mehr zu Bildung haben, macht mich das sehr traurig. Aber es motiviert mich auch, etwas zu tun.“
Und das tut er. Nicht zum ersten Mal: Schon in Afghanistan gründete er eine eigene Hilfsorganisation. In Deutschland engagiert er sich ehrenamtlich für Geflüchtete und Migrant:innen. „Jede kleine Handlung kann einen Unterschied machen. Man muss nur anfangen.“
Was bleibt – und was kommt
Die ersten Teilnehmerinnen des Programms haben inzwischen Zugang zu globalen Lernplattformen wie DataCamp, Coursera oder YouTube. Sie sind Teil der „DataFam“-Community geworden, vernetzen sich über LinkedIn und entwickeln erste eigene Dashboards zu gesellschaftlich relevanten Themen – mit lokalem Bezug.
Langfristig träumt Tawab von einer eigenen Lernplattform auf Dari – eine digitale Bildungsbibliothek für afghanische Frauen. Denn er ist überzeugt: „Datenkompetenz ist nicht nur Wissen – sie ist ein Werkzeug für Selbstbestimmung.“
Ein Blick auf die Realität – datenbasiert:
Tawab hat außerdem ein Dashboard “Stolen Dreams” auf Tableau Public veröffentlicht, das aufzeigt, wie systematisch die Taliban seit ihrer Machtübernahme Frauen und Mädchen aus Bildung, Arbeit und öffentlichem Leben ausschließen. Mit Hilfe von öffentlich zugänglichen Daten macht er sichtbar, was sonst im Verborgenen bleibt – und unterstreicht damit, warum Projekte wie „Data for Freedom“ so dringend gebraucht werden.